Zinsgipfel: <br>ein “Moving Target”

Zinsgipfel:
ein “Moving Target”

Counterpoint - August 2023
Der Scheitelpunkt der Inflation liegt nun deutlich hinter uns – insbesondere in den USA. Die Leitzinsen steigen jedoch weiter und die jüngsten Kommentare der Notenbanken sind recht eindeutig: Der Kampf gegen die Inflation ist noch nicht gewonnen. Doch auch wenn ihr Leitzinsgipfel erst später erreicht wird, befindet er sich nach unserer Überzeugung mittlerweile in Sichtweite – nur etwas verzögert.

Höher für (nicht so viel) 
längere Zeit

In unserem Jahresausblick sagten wir den Zinsgipfel für die Jahresmitte voraus. Da die Inflation den Anlegern jedoch – insbesondere in Großbritannien – weitere Überraschungen bereitet, haben die Notenbanken ihre Äußerungen zu langfristig höheren Leitzinsen beibehalten. Dennoch rechnen wir damit, dass der Scheitelpunkt nahe ist – nur etwas später erreicht wird, als wir zunächst erwartet hatten.

Da das Wirtschaftswachstum und die Gesamtinflation zurückgehen, werden längerfristig höhere Zinssätze immer unwahrscheinlicher. Die Inflation in den USA liegt mittlerweile bei rund 3 %. Dies ist gegenüber dem Hoch des Vorjahres ein Minus von mehr als sechs Prozentpunkten. Sie ist damit  sogar niedriger als Japans Inflationsrate. In der Eurozone beträgt sie mit 5,3 % die Hälfte des Höchststands von 10,6 % im Jahr 2022, in Deutschland liegt sie bei 6,2 %. Die Notenbanken haben jedoch entschieden, sich in Bezug auf mögliche künftige Zinsschritte nicht in die Karten schauen zu lassen und erkauften sich stattdessen mehr Zeit, um die neuesten Daten beurteilen zu können. Dies liegt daran, dass die Kerninflation (ohne Lebensmittel und Energie), allen voran in Großbritannien, wo sie nur geringfügig zurückgeht, nach wie vor hoch ist.

Trotz der positiven Marktreaktion auf die sinkende Gesamtinflation ist der Kampf daher noch nicht gewonnen. Nach unserer Überzeugung gehen wir jedoch in die letzte Runde. Die US-Notenbank (Fed) dürfte nur noch eine Leitzinsanhebung vornehmen – vielleicht aber auch gar keine mehr. Die Europäische Zentralbank (EZB) wird ihre Leitzinsen allerdings voraussichtlich noch etwas länger erhöhen. Für die Bank of England (BoE) ist die Aufgabe, die hartnäckig hohe britische Inflation zu bekämpfen, viel schwieriger. Sie räumte ein, dass eine Rezession erforderlich sein könnte, um bei der Eindämmung der Inflation bedeutende Fortschritte zu erzielen.

Wie der Westen müssen auch die asiatischen Volkswirtschaften mit den Folgen der Verlangsamung des Wachstums im verarbeitenden Gewerbe sowie des globalen Wachstums, die durch anhaltende Handelsspannungen noch verstärkt werden, zurechtkommen. Dennoch bleibt ein Hoffnungsschimmer, da es in China in Bezug auf eine hohe Inflation keinen Grund zur Sorge gibt und es insbesondere dort im Wege von niedrigeren Zinssätzen und fiskalischen Anreizen Unterstützung seitens der Politik geben könnte. Japan hingegen durchläuft gegenwärtig eine konjunkturelle und Gewinnerholungsphase und weist positive Inflationstrends sowie Strukturreformen auf.

Insgesamt bleibt die weltweite Lage ziemlich ungewiss. Aus diesem Grund halten wir an unserem vorsichtigen Ansatz bei der Portfoliopositionierung mit hochwertigen Anleihen und Dividendenzahlern hoher Qualität sowie Aktien mit niedriger Volatilität aus den USA und Europa fest. Dies sollte neben einer leichten Bevorzugung von Aktien aus dem Asien-Pazifik-Raum einschließlich Japans dazu beitragen, einen Teil des Aufwärtspotenzials zu erfassen und gleichzeitig die Portfolios zu schützen, falls die Marktvolatilität zunehmen sollte.

Robert Greil, Chefstratege


Top Chart
Je mehr die Inflation sinkt, desto näher rückt der Leitzinsgipfel
Die Notenbanken dürften bei ihren Zinserhöhungen weiterhin eine Pause einlegen – jedoch auf einem höheren Niveau, als ursprünglich erwartet. Nach unserem Dafürhalten hat die Fed nur noch Spielraum für einen weiteren Zinsschritt und die EZB für zwei weitere, doch die Bank of England wird ihre Leitzinsen wohl um weitere 100 Basispunkte anheben, da die Inflation im Vereinigten Königreich noch nicht so stark gesunken ist.

Die Gesamtinflation ist rund um den Globus rückläufig, doch die Kerninflation (ohne Lebensmittel & Energie) bleibt hoch. Die pandemiebedingten Engpässe haben sich ebenso abgeschwächt wie die Aktivität im verarbeitenden Gewerbe. Dies drückt die Gesamtinflation nach unten. Auch das Niveau der Kerninflation ist, obschon sinkend, nach wie vor zu hoch. Dies ist vornehmlich durch die robuste Dienstleistungsaktivität bedingt. In den USA ist ein stärkerer Rückgang der Inflation zu beobachten, und die Fed scheint eher früher als später zu einer Pause bereit. Obwohl die jüngsten britischen Inflationszahlen einen im Vergleich zu den Erwartungen etwas stärkeren Rückgang zeigten, bleibt das Inflationsniveau sehr hoch und deutet auf weitere Leitzinsschritte der Bank of England hin. Die EZB liegt dazwischen.

graph

Quellen: Internes Research, Refinitiv; gepunktete Linien = eigene Prognosen.

Anlagefokus
Das bereits schwache Risiko-Rendite-Profil von Aktien könnte sich verschlechtern
Die konjunkturelle und markttechnische Unsicherheit hält an. Daher erscheinen hochwertige Anleihen im Vergleich zu Aktien weiterhin attraktiv.

Aktuelles 

In unserem Ausblick zur Jahresmitte befassten wir uns damit, dass eine US-Staatsanleihe mit sechs Monaten Laufzeit etwas besser rentierte als der S&P 500 hinsichtlich seiner Gewinnrendite. Seitdem ist dieser Abstand in den USA angewachsen und Großbritannien gesellte sich hinzu. So übertrifft die Rendite zehnjähriger britischer Staatsanleihen mittlerweile die Dividendenrendite des dortigen Leitzindex FTSE 100. Trotz der gegenwärtig niedrigen Volatilitätsniveaus scheint sich somit das Risiko-Rendite-Profil von Aktien auf kurze Sicht verschlechtert zu haben. 

Unser Blick

Während die Notenbanken ihre Leitzinsen als Reaktion auf die Inflation immer noch anheben, steigen auch die Renditen von Staatsanleihen mit kurzer Laufzeit. Da die Inflation weiter nachlässt, halten wir das Aufwärtspotenzial jedoch für begrenzt. Dies macht hochwertige Anleihen auf ihren gegenwärtigen Niveaus attraktiv.

Das kurzfristige Risiko-Rendite-Profil von Aktien ist im Vergleich zu Staatsanleihen mit kurzer Laufzeit nicht gut.
Unsere Kernportfolios
Beibehaltung unserer vorsichtigen Positionierung
In Anbetracht des ungewissen konjunkturellen Umfeldes haben wir uns entschieden, unserer gegenwärtigen Positionierung mehr Zeit zu geben, um sich zu bewähren. Daher bleiben wir vorerst beim höheren Engagement in hochwertigen Anleihen, defensiven Aktien aus den USA und Europa sowie dem Asien-Pazifik-Raum einschließlich Japans.

Entgegen unseren Erwartungen liegen Aktien aus dem Asien-Pazifik-Raum bisher hinter globalen Aktien zurück. Aktien aus Japan, Taiwan, Südkorea und zuletzt auch Indien haben sich solide entwickelt, chinesische Aktien waren jedoch eine Enttäuschung. Der nachpandemische Anstieg der Aktivität hat sich in China zuletzt verlangsamt. Grund hierfür sind eine weltweite Verlangsamung im verarbeitenden Gewerbe und die neuerliche Schwäche im Immobiliensektor.

Trotz der durchwachsenen Wertentwicklung schätzen wir Aktien aus dem Asien-Pazifik-Raum nach wie vor positiv ein. Der im Vergleich zum Westen fehlende Inflationsdruck bedeutet, dass die Notenbanken in der Region die Volkswirtschaften ohne Angst vor einer Inflationsspirale mit niedrigen Zinssätzen stützen können. Dies bestärkt, einhergehend mit relativ attraktiven Aktienbewertungen, unseren positiven Ausblick – vor allem vor dem Hintergrund unserer defensiveren Positionierung.

Seit Jahresbeginn weisen unsere Kernportfolios nach wie vor eine positive Wertentwicklung auf. Dies ist durch unsere langfristigen Allokationen in globalen Aktien und Anleihen bedingt. Trotz dieser positiven Wertentwicklung bleiben wir auf Sicht von zwölf Monaten vorsichtig. Wir geben hochwertigen Anleihen gegenüber den riskanteren Aktienmärkten und Hochzinsanleihen weiterhin den Vorzug.

Staatsanleihen
Tactical_positionning_for_government_bonds
Unternehmensanleihen
Tactical_positionning_for_credit
AKTIEN
Tactical_positionning_for_equities
Liquidität und Gold
Tactical_positionning_for_cash_gold
Wir nehmen uns Zeit zum Zuhören
Wir hoffen, dass dieses Monats-Update informativ für Sie war. Bitte kontaktieren Sie uns, falls Sie dazu Fragen, Anmerkungen oder sonstiges Feedback haben.

Unsere anderen Veröffentlichungen:
Ein neuer Marktzyklus
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JUNI 2023
Die Wirtschaftsregionen der Welt verzeichnen zunehmend größere Wachstumsunterschiede. Das Entstehen asynchroner Marktzyklen ist sehr wahrscheinlich.

Zinsgipfel in Sicht
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MAI 2023
Die US-Konjunktur schwächt sich ab, China bzw. Asien erholen sich und Europa liegt dazwischen. Wir erwarten eine schrittweise Verlangsamung von Wachstum und Inflation weltweit. Dies bringt das Ende der Leitzinserhöhungen durch die Notenbanken in den Industrieländern in Sichtweite.

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Mehr Anleihen im Westen, mehr Aktien im Osten
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APRIL 2023
Im ersten Quartal 2023 war eine Neubewertung der globalen Wirtschaftstrends durch Anleger und Notenbanker zu beobachten. Allmählich bilden sich asynchrone Zyklen heraus, da China seine Wiedereröffnung fortsetzt, während der Westen mit Inflation und Marktvolatilität zu kämpfen hat.

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FEBRUAR 2023
Nach einem der schlimmsten Jahre für die Rentenmärkte erholen sich hochwertige Staatsanleihen wieder und bieten unserer Ansicht nach nun ordentliche Renditen bei relativ niedrigem Risiko.

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